VDI Preis 2022

Seit bald 40 Jahren würdigt der VDI BV München herausragende Ingenieurleistungen mit dem VDI Preis. Nachdem die letztjährige Preisverleihung pandemiebedingt verschoben wurde, konnten dieses Jahr die Preisträger endlich wieder in etwas größerem Rahmen ausgezeichnet werden.

Im stimmungsvollen Ambiente der AGORA bei Linde Engineering in Pullach begrüßte der BV-Vorsitzende Andreas Wüllner die gut 80 Gäste, bevor Tilman Weide, Senior Vice President Global Execution, Linde Engineering, mit seinem Vortrag ‚Der Großanlagenbau: Wegbereiter von Umweltschutz und Klimaneutralität‘ spannende Einblicke in die aktuelle Situation und einen Ausblick auf zukünftige Chancen dieses Bereichs bot.

Auszeichnung für sechs Nachwuchsingenieurinnen und Nachwuchsingenieure

Ist die Klimaneutralität des Industriesektors realisierbar?
Der europäische Industriesektor hat einen Anteil von ca. 33% am Gesamt- CO2-Ausstoss, der deutsche Industriesektor verursacht davon ca. 25%.  Die Transformation des deutschen Industriesektors zur CO2-Neutralität bis 2045 ist eine große Herausforderung, aber durch ihre Signalwirkung auch eine große Chance. Dr.-Ing. Andrej Guminski, (TU München und RWTH Aachen) beschäftigt sich in seiner prämierten Dissertation mit der Frage, mit welchen technischen Lösungen und zu welchen Kosten diese Klimaneutralität möglich ist. Anhand eines europaweiten Simulationsmodells, das die industriellen Energieverbräuche stündlich und räumlich bis auf die Landkreisebene hinab abbildet, zeigt Guminski, wie sich Energiesparmaßnahmen auswirken. Die kalkulierten Mehrkosten lägen bei 60 Mrd. Euro im Jahr, was zeigt, dass die Transformation finanziell zu bewältigen wäre.

Diagnose trotz Pandemie
Aus dem Fachbereich Medizintechnik kommt die beste Jungingenieurin. Frau Annika Hangleiter, M.Sc., hat in der Abteilung Minimal-invasive Interdisziplinäre Therapeutische Intervention (MITI) am Klinikum rechts der Isar (TUM) ein Gerät zur motorisierten Perkussion entwickelt. Im Projekt „ProteCT: Telerobotische Untersuchung von COVID Patienten“ wurde auch nach einem Assistenzsystem zur Perkussion, der Untersuchung von Organen basierend auf einem reflektierenden Klangbild durch das Abklopfen der Körperoberfläche durch den Arzt, gesucht. Frau Hangleiter konstruierte eine handgeführte und eine an einen Roboterarm zu befestigende Apparatur, die eine telemedizinische Diagnose ermöglicht und damit sowohl Arzt als auch Patient schützt.

Energieerzeugung: grün, aber stabil
An der TU Graz verfasste Dipl.-Ing. Carina Lehmal ihre ausgezeichnete Diplomarbeit im Fachbereich Elektrotechnik – Energietechnik. Beim Neubau von Photovoltaik-Anlagen werden auch immer Wechsel-/bzw. Umrichter als Koppelelemente in das Netz integriert. Ein Risiko sind hierbei auftretende Störungen an den Schaltern der Wechselrichter, z.B. Oberschwingungen, die sich im Netz ausbreiten und im schlimmsten Fall zum Ausfall von angeschlossenen Produktionsanlagen führen. Frau Lehmal erstellte nach einem Vorort-Test einen digitalen Zwilling für das Gesamtsystem, einschließlich einer 8-MW-Photovoltaikanlage. Diese Anordnung wurde anschließend im Labor getestet. Diese Kontrollmethode ist praktikabel, einfach zu erstellen und überall anwendbar.

Vom Erz zum Schrott  
In seiner preiswürdigen Masterarbeit „Das Life Cycle Assessment als Vergleichsmethode“ im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Landshut untersuchte Andreas Lindinger, M.Eng., die Vergleichbarkeit verschiedener Antriebssysteme in verschiedenen Sektoren. Der innovative Ansatz zeigt sich im Betrachtungsumfang: von der Herstellung der einzelnen Materialien, aus denen sich der Antrieb, die Peripherie und auch Teile der Infrastruktur zusammensetzen, über die Nutzung bis hin zur Verschrottung/dem Recycling. Ziel der Arbeit war es, eine Routine für die Vergleichbarkeit der Sektoren aufzubauen, um mögliche Potentiale bei der Optimierung von Herstellungsprozessen zu erkennen. Die Ergebnisse der Sachbilanz ließen auch generelle Auswirkungen auf die Umwelteinwirkungen (Versauerung der Böden, Freisetzung von Protonen und Emissionen wie SO2, HCI, NOx usw.) erkennen.

Posaunen werden leicht
Mit dem „Instrumentenbau mit faserverstärkten Kunststoffen und Additiver Fertigung“ befasste sich Anna-Lena Rotter, B.Sc., in ihrer Bachelorarbeit in der Fakultät für Ingenieurwissenschaften an der Technischen Hochschule Rosenheim. Durch die Übertragung ingenieurwissenschaftlicher Methoden (3D-Messtechnik, Simulation, Digitalisierung) auf die Musik und den Instrumentenbau sowie die Implementierung eines neuen Werkstoffs gelang es, leichte und widerstandsfähige Instrumente mit vielen Individualisierungsmöglichkeiten und hoher Ästhetik zu bauen, die klanglich den Originalen nicht nachstehen. Frau Rotter optimierte am Beispiel einer Posaune den klassischen Instrumentenbau durch die Faserverbundtechnik. Die Instrumente sind unempfindlicher gegen äußere Belastungen, bis zu 50 % leichter und ca. 400 € pro Instrument billiger gegenüber Messing. Dies bietet der steigenden Anzahl an freien und selbstständigen Musikern eine gute Alternative.

 

Zerstörungsfreie Tragwerksprüfung
Die Berechnung und Beurteilung von Tragwerken erfolgt heutzutage, bis auf wenige Ausnahmen, computergestützt mit Hilfe der Finite Elemente Methode. Im Rahmen der ausgezeichneten Bachelor-Arbeit von Paul Joseph Tuch B.Sc. am Lehrstuhl für Statik an der Technische Universität München wurde die rechnerische Modellanpassung für statische Messgrößen untersucht und das Verfahren in einem Programm implementiert. Dabei werden die Tragwerksantworten an der realen Struktur mit den Tragwerksantworten im Digitalen Zwilling für die gleichen Lastfälle verglichen und zur Verifizierung wurde in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Werkstoffe eine Versuchsreihe durchgeführt. Die Methode stellt ein zerstörungsfreies Prüfverfahren dar, das einen Schaden nicht nur lokalisiert, sondern auch quantifiziert. Dies stellt einen großen Vorsprung gegenüber Verfahren wie der Ultraschallmessung (rein qualitativ) und Bohrproben (zerstörend) dar.

Nach den beeindruckenden Kurzreferaten der Preisträger, die mit ihren zukunftweisenden Arbeiten Mut machten, und der Siegerehrung, klang der Abend mit einem hervorragenden Menü und interessanten Gesprächen aus.

Silvia Stettmayer

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