Mehr als eine Handbreit

Nicht nur unterhalb der Schiffskiele war am 22. Oktober in der Starnberger Werft wohl mehr als eine Handbreit Wasser zu verzeichnen, als sich die Gruppe Schiffsbegeisterter zur Ortsbegehung der Starnberger Werft trotz widriger Witterungsverhältnisse vollzählig einfand. Denn es regnete in Strömen.

15 begehrte Plätze hatten Klaus Kormann, Arbeitskreisleiter für Schiffbau und Schiffstechnik und sein Beirat Eckard Woyde zu vergeben, um mit dem Betriebsleiter der Bayerischen Seenschifffahrt Markus Färber höchst persönlich hinter die Kulissen der Traditionswerft zu blicken. Ebenfalls mit dabei Jörg Skibba, Mitarbeiter der Werft. Eines der Highlights an diesem Tag: dem Inneren der EMS Berg, dem größte Elektro-Seenschiff Deutschlands, auf den technischen Zahn zu fühlen.

„Im Winter bin ich Handwerker, im Sommer Seefahrer“

Beginnend bei der Historie der Starnberger Schifffahrt und der heutigen Unternehmensstruktur, skizzierte Färber Arbeitsabläufe am Beispiel der Schreinerei und saisonale Unterschiede bei den Tätigkeiten in einer solchen Werft.

Dass beim Schiffsmobiliar aufgrund des angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnisses und Nachhaltigkeits- und Wetterbeständigkeitsaspekten hauptsächlich Lärchenholz zum Einsatz kommt, war ebenso Thema, wie die sich ständig ändernden Vorschriften, aus Umweltschutzgründen nur ganz bestimmte Holzschutzmittel und -anstriche verwenden zu dürfen. Kurzum: Für Kenner wurde gefachsimpelt, für Neulinge der Schiffstechnik gab es allerhand Wissenswertes aus erster Hand.

Überaus beeindruckend waren die Einblicke in den Alltag von Betriebsleiter Färber, der – je nach Jahreszeit – auf dem See, als Handwerker oder Betriebswirt im Einsatz ist. Denn, so ein Beispiel, die grundsätzliche Entscheidung für die Verwendung von Ökostrom wurde getroffen, bevor klar war, dass der neueste Zuwachs der Starnberger Flotte ein reines E-Schiff werden würde.

Die anschließende, gemeinsame Besichtigung des Trafos für die Ladestationen und der angrenzenden Starkstrom-Leitungen vermittelte eindrucksvoll die elektrische Leistung, die in der Saison tagtäglich umgesetzt wird, um die EMS Berg mit ausreichend Energie auszustatten. 

Zum Dampfersteg

Vorbei am Wegweiser „zum Dampfersteg“, über dessen Bedeutung sich sogleich ein technischer Exkurs zum Wandel der Schifffahrtshistorie auftat, ging es entlang des Stegs – vorbei der MS Bayern, der MS Bernried, am Katamaran Starnberg und der MS Seeshaupt, bis hin zur EMS Berg, dem Ziel dieser Exkursion.

Seit wenigen Tagen erst liegt das E-Schiff nach seiner ersten Saison seit der Jungfernfahrt im Mai 2021, zusammen mit der übrigen Flotte nun über den Winter im Hafen. Saisonstart ist, wie jedes Jahr, Kar-Freitag.

An Bord der Berg gab es im Salon eine Einführung in die technischen Details, bevor es in kleineren Gruppen ins Innere und hoch zur Brücke ging. Gebaut wurde das zu 100 % mit Ökostrom betriebene Schiff in Bonn. Mit einer Länge von 35 m und Raum für 300 Fahrgäste bringt alleine der Rumpf 110 t auf die Waage.

Für Passagiere gibt es zahlreiche Annehmlichkeiten, etwa einen Aufzug, WLAN oder eine Ladestation für Elektro-Fahrräder. Im Schiffsrumpf hatten die Besucher die einmalige Gelegenheit, den Batterieraum zu besichtigen: 28 Racks in autonomen Kammern und ein ausgeklügeltes Brandschutzsystem zum Anfassen.

Von Bugstrahlrudern und Schottel-Einstellungen

Nach der Inspektion des Inneren ging es nochmals ganz hinauf zur Brücke, wo Färber die Steuerung erläuterte und über Erfahrungen aus der ersten Saison der MS Berg berichtete. Mit 18 km/h surrt Deutschlands größtes vollelektrisches Schiff fast lautlos über den Starnberger See. Die Schottel sind in der Lage, sich um 360 Grad zu drehen.

Die abschließende Fragerunde förderte mehr Wissenswertes zutage. Wie oft die Schiffe auf Sicherheit geprüft werden, wollte ein Teilnehmer wissen: Alle 5 Jahre kommt der TÜV SÜD, um etwa die Schottel und die Güte wichtiger Bauteile zu prüfen.

Die mithin wichtigste Frage, wie Färber beteuerte, kam jedoch von einem der Jüngsten vor Ort: „Warum die Schiffe nicht im Winter fahren“, wollte der fünfjährige Frederic wissen. Es seien Umweltgründe, genauer gesagt die internationale Ramsar-Konvention, ein Übereinkommen für den Schutz von Feuchtgebieten, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von internationaler Bedeutung.

Offensichtlich war es so manche Frage mehr, die von Beginn des Ortstermins an für angeregte Fachgespräche sorgte, die den ursprünglich auf 1,5 Stunden angesetzten Exkurs um höchst informative 45 Minuten erweiterte – und das ganz im Zeichen des Schiffsbaus und der Schiffstechnik.