Das VDI Forum 2018: Leben und Arbeiten wieder vereinen

Das VDI Jahresthema ist omnipräsent: Nicht nur die Ausgabe 01/2019 des VDI/VDE-Magazins „Technik in Bayern“ wählte als Schwerpunktthema „Urbane Produktion und Logistik“, auch das alljährliche Forum der VDI Landesvertretung stand diesmal unter dem Motto „Produktion in der Mitte der Gesellschaft“. Veranstaltet wurde es am 20. November gemeinsam mit dem VDI Bezirksverein München und dem VDI e.V. im Oskar von Miller Forum München.
Nach der Begrüßung von Prof. Dr.-Ing. Johannes Fottner, dem Vorsitzenden des VDI LV Bayern, gab Dipl. Wirtsch.-Ing. Ralph Appel, der Direktor des VDI e.V., Düsseldorf, einen kurzen Abriss des Jahresthemas, der wieder belebten Symbiose von Leben und Arbeiten.
Als Vertreter der Kommunen zeigte sich der Münchner Stadtdirektor Kurt Kapp in seinem Grußwort überrascht und hoch erfreut über die Initiative der Ingenieure zu diesem städteplanerisch oft zu einseitig behandelten Thema. Er betonte, dass in seinen Aufgabenbereich als Leiter der Wirtschaftsförderung auch die sehr langwierigen Gewerbeentwicklungsprogramme fallen.
Nach dem Impulsvortrag „Leben und Arbeiten im Zeitalter der Digitalen Transformation“ von Prof. Fottner sprach Dr.-Ing. Christian Jacobi, Geschäftsführender Gesellschafter agiplan GmbH, Mühlheim an der Ruhr über „Herausforderung und Chancen für die Stadt der Zukunft“, bevor Jean Haeffs, Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Produktion und Logistik (GPL), Düsseldorf, das Jahresthema „Produktion und Logistik in der Mitte der Gesellschaft“ und die zugehörigen VDI Standpunkte nochmals ausführlich beschrieb.
Im Referat über „Urbane Produktion - Symbiose zwischen Leben und Arbeiten“ stellte Dipl.-Ing. Michael Hertwig vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart, einige interessante Modelle für einen geänderten Individualverkehr vor. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden Fragen aus dem Publikum beantwortet, bevor die angeregte Diskussion beim ausgedehnten Abendimbiss fortgesetzt wurde.
Nachdem die Zeit auf dem Podium begrenzt, der Diskussionsbedarf jedoch groß war, haben wir bei den Experten des Abends noch einmal nachgefragt.

VDI: Herr Kapp, in Ihrem Vortrag haben Sie angedeutet, dass die Stimme der Ingenieure im Themenkomplex des heutigen Abends noch etwas leise ist. Was wünschen Sie sich hier für die Zukunft?
Kurt Kapp: Ich komme aus der Wirtschaftsförderung.
Wir haben sehr viel mit Städteplanung zu tun und der Sachverstand der Ingenieurszunft kommt in der öffentlichen Diskussion, wie ich sie wahrnehme,
noch ein bisschen zu wenig vor und ich würde mir wünschen,dass sich der Verein noch stärker einbringt, was sicher sehr gewinnbringend wäre.

Daher sind innovative Konzepte, die die Versorgung von Menschen in den Städten sicherstellen, eine Herausforderung nicht nur für die Logistik, sondern für alle relevanten Akteure – wie etwa die Politik, Verwaltung, Industrie und Handel.
Da wir davon ausgehen, dass der E-Commerce zukünftig weiter stark wachsen wird und die Ansprüche der Kunden an schnelle und verlässliche Lieferungen eher größer als kleiner werden, sind neue Wege in der Versorgung zwingend notwendig.
Die Entwicklung im E-Commerce ist ja auch nicht steuerbar; so sind urbane Versorgung und Logistik herausgefordert, sich dem schnell wachsenden Markt, insbesondere im E-Food-Bereich zu stellen und auch in Zukunft probate Lösungen zu schaffen.

Michael Hertwig: Das Thema Vollautomatisierung wäre denkbar, wenn wir das Thema Digitalisierung ganz und vollumfänglich schaffen.
Ich glaube da nicht dran. Umso wichtiger ist es, die Verbindung zwischen Leben und Arbeiten – also da Thema des heutigen Abends – sorgfältig zu durchdenken und an dessen Umsetzung zu arbeiten.
Wer hier gute Ansätze findet, kann auch die negativen Aggressionseffekte des Alltags reduzieren, die insbesondere im Bereich der Individualmobilität eine große Rolle spielen – etwa Aggressionen im täglichen Berufsverkehr, wenn man sich durch das hohe Verkehrsaufkommen und die Fahrweise der Mitmenschen stark eingeengt fühlt.
Ein Potenzial, das mit der Arbeit im urbanen Raum einhergeht, sehe ich im positiven Beitrag, den ein Unternehmen über die Wirtschaftskraft der einzelnen Personen leisten kann.
Es ist die Kombination solcher Ansätze, die zeigen, warum Produktion wieder im stadtnahen Raum stattfinden muss. Heute haben wir die Tools dafür. Die Digitalisierung bietet uns die richtigen Ansätze und die richtigen Möglichkeiten, um neue Organisationsformen zu finden.
VDI: Und welche Hebel sind aus Ihrer Sicht die richtigen, um solche Möglichkeiten an die Industrie heranzutragen? Was muss geschehen, damit die von Ihnen beschriebenen, positiven Effekte auch gesehen und als Potenziale gehoben werden können?
Michael Hertwig: Ich glaube, es steht und fällt mit dem Unternehmer – mit dem Verantwortlichen. Wenn der für sich und für sein Unternehmen keinen Mehrwert darin sieht, werden wir hier nichts erreichen. Alle Projekte, die wir bis jetzt gemacht haben, sind immer durch den jeweiligen Gesellschafter initiiert oder gefördert worden, der gesagt hat: wir müssen etwas für unser Umfeld tun.
Die Beweggründe dafür waren entweder sozial oder wirtschaftlich motiviert. In beiden Fällen waren das die besten Projekte, weil am Schluss etwas dabei rausgekommen ist, das generell einen größeren Mehrwert geschaffen hat.